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Der Bönningstedter Glockenturm


Von der Idee zum Entwurf - ein langer Weg

Bei den Planung für eine Kirche in Bönningstedt waren nicht nur ein Gemeindehaus und eine Kirche, sondern auch ein Glockenturm geplant.

Im Dezember 1958 wurde das Gemeindehaus mit einem großen Saal eingeweiht;

1960 ein Pastorat gebaut.

Im April 1961 wurde der Architekt des Gemeindehauses mit der Planung eines Kirchturmes beauftragt - diese Pläne wurden dann wieder verworfen.

Statt dessen wurde in der Nähe des Gemeindesaales ein Haus erworben, in dem lange Jahre verschiedene Menschen, die in und für die Gemeinde tätig waren, wohnten 

Auf dieser (undatierten) Planungsskizze ist am linken unteren Ende der Gemeindesaal zu sehen - der heutige Kirchraum.
Die eigentliche Kirche sollte auf dem Gelände dahinter entstehen, ungefähr dort, wo jetzt "Wohnen am Kirchpark" steht. Dann wäre der Alttarraum auch nach Osten ausgerichtet.
Die Ellerbeker Strasse muss man sich unterhalb des Bildes denken. 


Da verschiedene Anträge beim Kirchenkreise für die Errichtung eines Turmes abschlägig beschieden wurden, 
beschließt der Kirchenvorstand schließlich, selber Geld für einen Turm zu sammeln und eine Rücklage zu bilden

Diese Rücklage füllt sich stetig mit Basareinnahmen, Spenden und Überschüssen aus Dorffesten.

Bei der Planung für einen Erweiterungsbau 1992 wird dann endlich die Errichtung eines Glockenträgers mit angedacht. Eine Glocke ist schon vorhanden (... so dacht man zumindest ...).
Aber wie soll der Glockenturm aussehen? Dazu werden verschiedene Modelle in der Nachbarschaft besichtigt ... 

 

Ein Glockenturm irgendwo
Noch ein Glockenturm
ein weiterere Glockenturm
Glockenturm aus Holz

Nach langer Diskussion und diversen Vorschlägen entscheidet sich der Kirchenvorstand für den zweiten  Entwurf des Architektenbüros Theine+Wawersik:

Eine Viertelpyramide


Hier ein früherer Entwurf, der zentriert vor dem Gesamtgebäude steht ...

Hier die Viertelpyramide - vor dem Altbau, also links vom Zuweg

Die Baubeschreibung ...

 

... und der finale Entwurf ( interessanterweise hat der Anbau hier noch einen überdachten Vorbau, der leider nie realisiert wurde )


Stolz wird im Januar 1996 ein Modell des Turms präsentiert: Gebastelt wurde es von Holger Wiebling, dem legendären Dorfpolizisten.
Im Bild Kordula Mahrt, der Leiterin des Basarkreises
und Siegfried Duvigneau, der das Projekt Glockenturm wesentlich vorangetrieben hat. 

Sehr aufmerksam verfolgt auch die Presse die Fortschritte. Hier gelingt dem Redakteur eine schon fast biblische Überschrift für seinen Artikel ... 


Nach einigem Hin und Her beschließt die (kommunale) Gemeinde Bönningstedt,
den Neubau eines Glockenträgers mit einem Zuschuss von 20.000 DM und einem zinslosen Darlehen von 35.000 DM zu unterstützen

Schwieriger war offenbar die "kirchenaufsichtliche Genehmigung". In den Briefwechseln ist immer wieder von Mißverständnissen, Irritationen und mangelnder Information die Rede.
Aber letztendlich kommt im Oktober 1996 dann endlich auch das „Ok“ aus Kiel vom Nordelbischen Kirchenamt !


Der "Ellerbeker Glockenstreit"

In der Zwischenzeit konnte auch der (vielleicht gar nicht so scherzhaft benannte) Ellerbeker Glockenstreit beendet werden.

Pastor Lessig schreibt dazu in der Chronik:

"In Alt-Ellerbek hatte an einem Holzgestell eine kleine Glocke (Durchmesser ca. 0,5 m / Gewicht ca. 100 kg / Ton fis’’ ) gehangen, die zu Veranstaltungen von Feuerwehr und anderen und zu Gottesdiensten geläutet wurde.
Als das Holzgestell morsch wurde, schlug Pastor Dr. Hoyer den Ellerbekern, die damals kirchlich noch zu Bönningstedt gehörten,  vor, dass die Glocke erst einmal in Bönningstedt aufbewahrt werde, weil hier ja eine Kirche gebaut werden solle, wobei die Glocke gut Verwendung finden könne.

So lagerte diese jahrelang in der Garage neben dem Pastorat, in der der Küster seine Geräte verwahrte. Da nun auch Ellerbek den Bau eines Glockenturms plant, verlangte man die Glocke zurück. Darum hat unser Kirchenvorstand beschlossen, dem Begehren nachzugeben, um den Streit und die scherzhafte Beschimpfung als „Glockenklauer“ aus der Welt zu schaffen.

Inzwischen haben wir allerdings selbst ein Geläut beschlossen, das den Ton dieser Glocke, bei der übrigens der Klöppel fehlt, einbezieht. Am Sonntag, 22.12. kam nun Pastor Drope mit einigen Kirchenvorstehern und einem Handwagen aus Ellerbek und „holte“, fotografiert von der Zeitung, „die Glocke heim“.

Am Sonntag, 22.12. 1996 kam Pastor Thomas Drope mit einigen Kirchenvorstehern und einem Handwagen aus Ellerbek und „holte“, fotografiert von der Zeitung, „die Glocke heim“.

[Unklar ist derzeit, warum die Glocke, die laut den Aufzeichnungen von Pastor Lessig in einer Garage lagerte, aus der Kirche herausgetragen wird. Übrigens durch eine Tür, die inzwischen von Innen zugemauert wurde ...]

Etwas anders klingt natürlich die Ellerbeker Version - hier ein Ausschnitt aus der Chronik des Heimatverein Ellerbek:

Damit  in Ellerbek eine Glocke die Gemeinde zum Gottesdienst rufen sollte, wurde (1948?) eine Glocke bestellt. Das Geld dafür wurde von der Kirchengemeinde gespendet und bei dem Theaterstück der Jugendgruppe vom „Verlorenen Sohn“ (gespielt von Bernhard Siska) gesammelt. Das Glockengestell ist von Leonhard Ramcke und Franz Gelhar erstellt und auf dem Kirchengemeinde – Grundstück aufgerichtet worden.

Dieser Glockenturm mit der Glocke stand noch viele Jahre, da sie ja dem Kirchenspiel Rellingen gehörte…

Die Glocke im Dorf Ellerbek wurde danach (nach 1955) nur zum Volkstrauertag bei der Totenehrung angeschlagen. Da sie unbewacht und unversorgt war, gammelte das Glockengestell langsam vor sich hin.
Durch den Wegzug des TSV-Ellerbek zur neuen Schule war bei der Gastwirtschaft Heins nicht mehr so viel Betrieb und einige Zecher hatten nichts Besseres zu tun, als die gegenüber stehende Glocke zu läuten.

Deshalb wurde die Glocke abgebaut und zur Kirchengemeinde Bönningstedt gebracht. In einer Garage fristete sie nun in einer Ecke ihr Dasein.

Einige Ellerbeker …  baten die Pastoren Steenbuck und Richter, dass sie die Ellerbeker Glocke von Bönningstedt zurückholen sollten. Als Antwort erhielten sie, die Glocke hätte einen Sprung und wäre dadurch nicht einsatzfähig. Erst der Pastor Drope … glaubte den Bönningstedtern nicht und holte die Glocke mit dem damaligen Bürgermeister David gemeinsam nach Ellerbek zurück. Heute hängt sie im Glockenturm beim Gemeindehaus am Verbindungsweg.

... inzwischen läuten die Glocken im 14tägigen Wechsel abwechseln: Mal laden sie in Ellerbek, mal in Bönningstedt zum Gottesdienst ein ... 


Was lange währt ...wird irgendwann gut!

Ende 1996 schließlich wird der Auftrag zum Guss der Glocken und die Erstellung des Turmes an die Firma  Metz in Karlsruhe erteilt.

Alle drei Glocken tragen einen Namen: 
Ais‘ +3           354 kg      Lebende ruf‘ ich
Dis‘‘ +3          150 kg      Soli Deo Gloria
Fis‘‘ +3             90 kg      Tote beklag‘ ich

Ende April 1997 fährt dann eine kleine Gruppe von Gemeindegliedern nach Karlsruhe zum Glockenguss. 

Es muss sehr eindrucksvoll gewesen sein, mitzuerleben, wie mit einer kurzen Ansprache, Gebet und Metallweihe schließlich der Guss erfolgte.

Zuvor jedoch hatte man eine Klangprobe durchgeführt und festgestellt, dass der Ton nicht ganz einwandfrei sei. Nach Zugabe einer genau dosierten Menge Kupfer (oder Zinn?) ergab der Probeguss einer Stimmgabel einen reinen Ton. … Die Teilnehmer werden dieses Erlebnis sicherlich nicht vergessen.

 

Werkstatt Glockenguss
Werkstatt Glockenguss
Werkstatt Glockenguss

Am Pfingstsonntag 1997 wurden die drei Glocken feierlich von Pröpstin Schwinge und Pastor Lessig geweiht. 

Noch hängen die Glocken an einem provisorischen Gestell hinter dem Gemeindehaus. 

Das aber wird sich bald ändern ...

Bild Einweihung Glocke

Autokran Glockenträger
Gestell glockenturm

Am Freitag, den 21. Juni kommt dann auch der Glockenturm - mit einem Schwerlasttransport.
Die vormontierten Teile werden von einem beeinruckend großen Kran aufeinandergesetzt und schließlich verschraubt.

Pastor Lessig dazu: "Frau Duvigneau sen., meine Frau und die Nachbarn schauten interessiert zu. Weil es mehrere Stunden dauerte, holten wir Stühle aus dem Gemeindehaus. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, Bilderbuchwetter! Nun steht er da der „Schiefe Turm von Bönningstedt“, nicht jedermanns Geschmack, aber er wird nicht übersehen."

Am darauf folgenden Sonntag wird der Turm mit einem Gottesdienst eingeweiht. 

Und damit alles seine Ordnung hat, wird dann im September auch abgerechnet ...

Gestell Glocenturm mit Glocken
Aufbau Glockenturm, mit Kran und Handwerkern
Aufbau Glockenturm, mit Kran und Handwerkern
Aufbau Glockenturm, mit Kran und Handwerkern
Aufbau Glockenturm, mit Kran und Handwerkern

... und es geht weiter !

Drei Jahre später dann beschweren sich nicht nur Nachbarn, sondern auch Gottesdienstbesucher: die Glocken seien zu laut.

Und tatsächlich bestägt ein Sachverständiger diesen Eindruck. 

Es finden also - im Jahre 2011-  Arbeiten zu Schallisolierung statt – in Höhe von geschätzten 26.000€. 

Irgendwann läuteten die Glocken zu Silvester auch mal mehrere Stunden - 2015 dafür dann aber gar nicht: Niemand hatte an die Programmierung gedacht ... 

Und dann beschließt der Kirchenvorstand im Jahre 2019, dass im kommenden Jahr - im Zuge der energetischen Sanierung des Kirchraums - die Holzlamellen gestrichen werden sollten. 

Aber es kommt anders ...

Gemeindehaus mit Corona Transparent

Der Kirchengemeinderat beschließt, "bis zur Aufhebung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens" ... wochentags die Vaterunser-Glocke von 12:00 – 12:05 Uhr zu läuten - das nordkirchenweite "Hoffnungsläuten".

Auch wenn während der Coronaepedemie zeitweise keine Gottesdienste gefeiert werden - die Glocken läuten Sonntags weiterhin zu den gewohnten Zeiten. 

2020 bekommt der Turm eine neue Funkschaltuhr - nun kann das Geläut auch vom PC im homeoffice geschaltet werden..

Später wird dann festgestellt, dass ein vorgeschriebener Notaus fehlt. Der Schalter wird an der Turmluke installiert.
Wie man ihn erreichen soll, bleibt offen ...

Notschalter im Einstieg Glockentrum
Baugerüst mit Transparent Brot für die Welt

Im Sommer 2021 wird dann klar: Mit dem Streichen der Lamellen ist es nicht getan.

Der gesamte Turm muss saniert werden.
Bis die dazu notwendigen Anträge gestellt und genehmigt werden, beginnt ein neues Jahr.
Allerdings spielt dann das Wetter nicht mit, so dass die Arbeiten erst im Mai 2023 abgeschlossen sind. 

Seitdem steht der markante Turm frisch gestrichen und ohne "Verkleidung" vor Kirche und Gemeindehaus.

Und die drei Glocken laden weiterhin zu Gottesdiensten und Andachten ein. 

Und manchmal werden sie auch zu ganz besonderen Anlässen geläutet:
So, wie zur Bönningstedter Lichterfahrt!


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